Hochwasser und Starkregen

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Intakte Moore und Hochwasser

Bis heute hält sich die Auffassung, dass Moore als eine Art Schwamm besonders effektive Wasserspeicher mit ausgleichender Wirkung auch für den Wasserhaushalt der Umgebung wären und sogar Hochwasserlagen abwettern können.

Als Laie würde man schlussfolgern, dass ein Moor wegen der angeblichen wasseransaugenden Schwammwirkung ein hochstabiles Ökosystem sein müsste. Nun kommen aber Moore nur genau da vor, wo von vornherein von außen kontinuierlich Wasser bis zur vollständigen Bodensättigung zugeführt wird und eine solche Speichereigenschaft gar nicht notwendig ist.

Weiterhin ist zu beobachten, dass bereits minimale Entwässerungsmaßnahmen zu Veränderungen im Erscheinungsbild eines Moores führen, was eher ein Hinweis ist, dass es sich um eine sehr sensible Landschaftsform handelt und daher auch hinter die angeblich großartige Puffer- und Speicherwirkung ein großes Fragezeichen zu machen ist.

Bereits vor mehr als hundert Jahren war daher das Thema "Schwamm im Moor" ein Streitpunkt in der Fachwelt. Wegen der Wichtigkeit der Frage wurden nach dem 2. Weltkrieg naturwissenschaftlich korrekte Messreihen an einer Vielzahl von Mooren zu dieser Frage durchgeführt.

Das nüchterne Ergebnis dieser Meßreihen

Das Moor ist ein schlechter Schwamm. Er kann Wasser nur in geringem Umfang (einige 10 cm) von unten nach oben hochsaugen, was letztlich die Ursache für die Bildung von regenwassergespeisten Hochmooren ist.

Von oben auftreffendes Regenwasser kann ebenfalls nicht lange gehalten werden, es versickert allmählich und fließt aus dem Moor ab. Das nasse Moor muss also permanent bis zur vollständigen Sättigung von außen mit Wasser versorgt werden, damit insbesondere die ach so sensiblen Torfmoose funktionieren. Das Moor kann wiederholte etwas längere Trockenperioden eben nicht ausgleichen und beginnt sich zu verändern, bzw. das Torfmoos verschwindet, was auch wegen des Klimawandels ein Problem werden dürfte.

Zitat:

Verschiedene Autoren haben in 15 Einzugsgebieten in den Gebirgen der Tschechoslowakei mehr als 10 Jahre lang hydrologisch-klimatische Untersuchungen an Mooren ausgeführt und festgestellt, dass deren Einfluss auf Hydrologie und Klima der Umgebung gering ist. Sie fanden, dass die Moore nicht als Wasserreservoire der Bäche und Flüsse angesehen werden können, die deren Ausfluss ausgleichend beeinflussen. Sie beeinflussen lediglich das eigene Mikroklima in Bodennähe.

Mitarbeiter der Moorversuchsstation in Bernau haben zehnjährige hydrologische Beobachtungen an den Südlichen Chiemseemooren veröffentlicht und in Bayern die norddeutschen und tschechischen Feststellungen bestätigt, wonach die frühere Ansicht über die Moore, dass sie langzeitige Wasserspeicher sind, als widerlegt anzusehen ist.

Es hat den Anschein, dass der Naturschutz diese Erkenntnis unberücksichtigt lässt. Er argumentiert stattdessen mit der veralteten und widerlegten Anschauung über die Bedeutung der Moore für die Hydrologie.

Zitatende

Dr. Max Gordon vom Niedersächsischen Landesamt für Bodenforschung zum Thema: Die Bedeutung der Moore zur Erhaltung einer hydrologischen Stabilität; TELMA Band 2/S.149- 150.

Mit anderen Worten: das Rückhaltevermögen (Retention) intakter Moore ist bescheiden, bei Gebirgsmooren sogar praktisch null.

Die im "Einzugsbereich" von Mooren lebende Bevölkerung hatte dies in den Bergen auch ohne wissenschaftliche Bestätigung von Zeit zu Zeit leidvoll erfahren, wenn wieder einmal am Supermoor vorbei die Frühjahr-Hochwässer durchs Dorf zu Tal rauschten.

Da also ein ungestörtes Hochmoor nahezu permanent wassergesättigt sein muss, kann es natürlich nicht mal theoretisch in größerem Umfang zusätzliches Wasser "aufsaugen".

Man sollte daher beim Vergleich verschiedener Landschaftskonzepte hinsichtlich eines Hochwasserschutzes auf solche qualitativen Aussagen verzichten, sondern konkrete Zahlen bzgl. der Pufferkapazität der verschiedenen Szenarien vorlegen. Und da stellt sich heraus, dass andere Landschaftsformen auch im Hinblick auf eine Rückhaltefunktion bei Extremwetter-Ereignissen wesentlich effektiver wirken als intakte Moore.

Starkregen und intaktes Moor

Nachdem zumindest einigen Öko-Vertretern klar geworden ist, dass die "Aussage vom Schwamm im Moor" mit seinen angeblich einzigartigen hydrologischen Supereigenschaften nicht mehr zu halten ist, wurde zur Ehrenrettung des Moores der verzögerte Wasserabfluss aus dem Moor bei sog. Starkregenereignissen ins Feld geführt.

Sachlicher Hintergrund

Der Unterschied zur vorherigen Aussage liegt vor allem im betrachteten Zeitraum: Der "Starkregendämpfungseffekt" spielt sich innerhalb weniger Tage nach dem Abregnen ab, wohingegen der berühmte "Schwamm im Moor" angeblich sogar noch jahreszeitliche Schwankungen im Wasserhaushalt hätte ausgleichen sollen.

Das Regenwasser fließt nicht ungebremst oberflächlich ab, sondern versickert. Dadurch ergibt sich im Vergleich zu einer genutzten Moorfläche mit intakter Grabenstruktur für ein paar Tage ein verzögertes und gedämpftes Abflussverhalten.

Ursache ist die zergliederte Topographie der aus Bulten und Schlenken (Höcker und wassergefüllten Senken) bestehenden Mooroberfläche, sowie die porenreiche Struktur der obersten Moorschicht. Dieser Mechanismus hat im intakten Moor allerdings schnell seine Grenzen: Wenn zu viel Regen fällt, bildet sich eine geschlossene Wasseroberfläche und damit kann das Wasser über natürliche oder künstliche Kanäle sturzbachartig aus dem Moor abfließen. Desweiteren ist der Begriff "Starkregen" äußerst dehnbar: Bereits ein besserer Platzregen darf sich nämlich als ein "Starkregenereignis" bezeichnen, das kaum jemanden aus der Ruhe bringen dürfte.

Der Begriff "Starkregen" besagt also wenig über die gefallenen Gesamtwassermengen, suggeriert aber wieder wie früher eine einzigartige Wirksamkeit des Moores bei bedrohlichen Wetterlagen bis hin zu Hochwassersituationen. Verschwiegen wird meist, dass der Begriff "Starkregen" in der Wasserbilanz der Moore sich genau nur auf die Regenmenge bezieht, die exakt auf die Moorfläche fällt. Über andere Wasserbeiträge zum Gesamtwasserhaushalt eines Moores schweigt des Ökosängers Höflichkeit. Das mag für norddeutsches Flachland mit seinen ohnehin geringeren Niederschlägen genügen, nicht aber in der Nähe von hügeligem Land oder im Gebirge.

Da die Zielgenauigkeit von Regenwolken begrenzt ist, gelangt durch weitläufige Einzugsgebiete vor allem im Gebirge bei Starkregen das Wasser eben nicht nur von oben ins Moor, sondern auch über die angeschwollenen Zuflüsse aus den Bergen und dann schaut es für die Umgebung schon wieder wesentlich schlechter aus. Da wäre eine Landschaftsform mit tatsächlich hoher Rückhaltewirkung wünschenswert, die eben ein Moor genau nicht leistet! Da sind Wälder weit besser gerüstet, weil deren Böden tatsächlich eine ausgeprägte Pufferwirkung haben.

Intakte Moore sind, soweit tatsächlich vorhanden, liebenswerte und schützenswerte Landschaften. Sie sind aber in ihren hydrologischen Wirkungen im Hinblick auf die Umgebung weder einzigartig noch von vornherein vollkommen unproblematisch, von den wiedervernässten Pseudomoorflächen ganz zu schweigen.

Hochwasser und Starkregen in wiedervernässten Pseudomooren

Die im Zusammenhang mit dem Thema "Starkregen und Moor" meistens zitierte Messung von Max Schuch (TELMA Band 3/1973 /S. 229) stellt in diesem Zusammenhang heraus, dass hinsichtlich der Starkregenbilanz eben auch andere Landschaftsformen ähnliches leisten, bzw. sogar dem unberührten Hochmoor überlegen sind. Insbesondere weist Schuch nicht nur auf die kurzfristige Starkregendämpfung durch Moorwälder hin, sondern auch auf deren weit darüber hinausgehende langfristig ausgleichende Wirkung, an die ein intaktes Hochmoor überhaupt nicht herankommt.

Die Aufforstung ehemaliger Moorflächen als landschaftsgestalterische Maßnahme zur Erzielung eines moderaten Bodenwasserhaushalts wird daher von Schuch für den niederschlagsreichen Alpenrand ausdrücklich vorgeschlagen.

Noch problematischer ist die Situation bei den durch Wiedervernässung geschaffenen "Pseudo- Mooren". Hier werden Entwässerungsgräben, soweit noch vorhanden, durch Installation von Wehren verschlossen, um den Grundwasserpegel bis praktisch an die Geländeoberfläche aufzustauen.

In den einschlägigen Projektkonzepten wird dabei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass zusätzliche Wassermengen z.B. infolge von Starkregen, schnellstmöglich über Sammelgräben aus dem Gelände abzuleiten sind!

Es wird also in der "Moorentwicklungsphase" von vornherein gar keine "Starkregen-Dämpfungswirkung" angestrebt, sondern das Gegenteil. Der Grund: Bei Überstauung werden sonst die zur Wiedervernässung benötigen Verbauungen (z.B. Dämme, Wehre) beschädigt und das Pseudo- Moor läuft aus.

Massive Eingriffe in den landschaftlichen Bodenwasserhaushalt wie im Falle der Wiedervernässung machen potenziell nicht an den Grundstücksgrenzen Halt, sondern "strahlen" durchaus weiter in die Umgebung aus, wenn man die Dinge treiben lässt.

Im Hinblick auf die mögliche hydrologische Aussenwirkung solcher Pseudo-Moorflächen auf die nähere und weitere Umgebung ist also ein besonderes Augenmerk zu richten auf negative Auswirkungen beispielsweise

  • von nachträglich angesiedelten Biberkolonien
  • durch mangelhafte Betreuung des Moorwasserhaushalts durch unterlassene Grabenräumungen.

Hochwasserschutz durch ehemalige Moore

Das Hochwasser-Ereignis 2013 in Bayern lenkte das Augenmerk auf den steigenden Bedarf an Rückhalte- und Retentionsflächen in der Nähe von Flüssen. Hier können ehemalige Moorflächen in der Nähe von Fließgewässern durchaus einen Beitrag liefern, wenn anstelle einer Wiedervernässung mit Totalverschluss von Entwässerungsgräben die Moorflächen mit einem gedrosselten Abflusssystem ausgestattet werden.

Der Grund- oder Stauwasserpegel soll in der Fläche im zeitlichen Mittel auf ein deutlich niedrigeres Niveau eingestellt werden. Dadurch wird für wetterbedingt kurzfristig anfallende größere Wassermengen ein größeres Puffervolumen geschaffen. Dieses entleert sich im Lauf der Zeit wieder mit einer moderaten Abflussrate und kann danach erneut Hochwasserspitzen aufnehmen.

So entsteht langfristig zwar nicht das klassische Hochmoor, sondern ein Moor- und Auwald, aber man hätte in jedem Fall eine naturnahe Fläche, die durch ihren Beitrag zum Hochwasserschutz auch einen Nutzen für die ortsansässige Bevölkerung stiftet. Im Achental im Chiemgau werden zunehmend Hochwasser-Risikogebiete ausgewiesen, die zu deutlichen Einschränkungen für die Bevölkerung führen. Gleichzeitig werden aber die angrenzenden Moore und Filzen (Rottauer Filze, Kendlmühlfilze) über Quadratkilometer hinweg durch Wiedervernässen aufgestaut bzw. durch angesiedelte Biber überstaut.

Dieser sinnentstellende innere Widerspruch ist eigentlich nur mit unterschiedlichen Zuständigkeiten und Interessenslagen der beteiligten Behörden zu erklären, die auf dem Rücken der Bevölkerung ausgetragen werden. Eine Umwidmung der Flächen hinsichtlich einer tatsächlich verbesserten Rückhaltewirkung bei Starkregen oder Hochwasser ist naheliegend, insbesondere angesichts der (noch) vorhandenen Moorwaldbestände, deren hydrologische Dämpfungswirkung erwiesen ist. Bisher ist nämlich vorgesehen, genau diese Moorwälder durch die aktuelle Wiedervernässung gezielt zu zerstören.

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