Produkte aus Torf

Die meisten der im Folgenden beschriebenen Anwendungen basieren auf jungem Hochmoor- Fasertorf (bevorzugt Moostorf, aber auch andere), der hier der Kürze halber als "Torf" bezeichnet wird. Soweit einige Anwendungen auf Schwarztorf beruhen (z.B. im Medizinbereich), so wird das ausdrücklich erwähnt. Die weltweite Torfbildungsrate liegt geschätzt bei 5 Milliarden Kubikmetern pro Jahr.

Torf wird bis heute mit seiner Kombination biologisch- physikalisch-chemischer Eigenschaften als Stoff mit hohem Innovationspotential betrachtet.

Bereits vor mehr als hundert Jahren wurde Torf als ein "Innovationstreiber erster Güte" gerade auch in Deutschland technisch-wissenschaftlich untersucht und in vielfältiger Weise in Produkte umgesetzt.

Wichtige Eigenschaften des Torfs sind:

  • Hohlfaserkörper/Filz aus Bio-Materialien mit extremer Porosität (über 90%).
  • Weites Spektrum an Porengrößen bis in den Mikrobereich.
  • Große innere Oberfläche mit chemischer Oberflächenaktivierung (Huminkolloide).
  • Hohe Ionenaustauschkapazität, natürlicher saurer Polyelektrolyt.

Hieraus resultierten u.a. Eigenschaften wie:

  • hohe Saugfähigkeit,
  • exzellente Wärmedämmung,
  • effektive Filterwirkung,
  • gute Formbarkeit,
  • hohe Nährstoffbindung im Boden,
  • Schwermetallfixierung,
  • hohe pharmazeutische Aktivität (organische Heilerde),
  • keimhemmend.

Seit vielen Jahren hat man rein empirisch in den vergangenen Zeiten von diesen Eigenschaften Gebrauch gemacht, z.B. in der Landwirtschaft (Einstreu) bzw. als Baumaterial (Irland, Schottland, Island, Skandinavien, Norddeutschland, Baltikum). Bis heute ist Torf in der Gartensubstrat-Herstellung etc. wegen seiner hervorragenden Eigenschaften weltweit nach wie vor hochaktuell.

Bis heute beschäftigt man sich in moorreichen Ländern wie Baltikum, Skandinavien, Russland, USA und Kanada intensiv mit Torf als Ausgangsmaterial für die Umwelt-, Filter- und Dämmtechnik, aber auch für Kosmetika und Heilprodukte. In vielen Forschungsbereichen dient Torf außerdem als Modellsubstanz, um von Mutter Natur zu lernen und neue Erkenntnisse zu gewinnen, z.B. in der Bodenbiologie und -chemie sowie der Medizin.

Torf als Bau- und Dämm-Material

Torfziegel

Arbeitet man in frischen Torf alkalische Magnesium- oder Kalklauge ein und bringt die Masse in Ziegelform, so ergibt sich nach der Trocknung ein leichtgewichtiges Bauelement, das sich zum Ausfachen von Gebäudewänden eignet und dabei eine hohe Dämmung für Schall und Wärme aufweist. Durch Verarbeitung größerer Ziegel konnte ein rascher Baufortschritt bei hoher Wohnqualität realisiert werden.

Umgekehrt versuchte man bei "normalen" Tonziegeln durch Zugabe von Torf und Verarbeitung bei höheren Drücken und Temperaturen einen keramischen Leichtbauziegel erhöhter Porosität zu erhalten. Hierzu gab es Anfang des 20. Jahrhunderts eine Vielzahl von Aktivitäten. Weit verbreitet waren darunter die sog. Torfitplatten, die im öffentlichen Sanitärbereich gerne verwendet wurden. Diese Leichtbauziegel wurden nach der Herstellung intensiv mit sog. Torfitextrakt getränkt und imprägniert. Das Torfitextrakt ist ein Schwelgasprodukt (u.a. Kreosot) aus der Torfpyrolyse mit extrem hoher Desinfektionswirkung und ausgeprägter Geruchsbindung (Ammoniak!). Das Material hielt sich jahrzehntelang z.B. in Bahnhofstoiletten. Es musste lediglich von Zeit zu Zeit ein Auffrischanstrich mit Torfitextrakt erfolgen.

Torfdämmung gestern und heute

Die hohe Wärmeisolation von losem Torfmull bei der Auffüllung von Fehlböden, Wandelementen etc. ist seit langem bekannt. Gängige Praxis war auch die thermische Isolierung von sog. Eismieten mit Torfstreu oder Torfmull, in denen im Winter abgebautes Natureis bis in den Sommer hinein gelagert wurde, wobei nur ganz geringe Abschmelzverluste z.B. im Vergleich zur Strohisolation auftraten. Ebenso war Torf als exzellenter Frostschutz im Pflanzenbau bekannt.

Ein naheliegender weiterer Schritt ist die Konfektionierung von Torf in Plattenform . Durch Zugabe von Bindemitteln und Anwendung von Druck erhält man stabile und leicht zu applizierende Isolationsplatten mit hohem Gebrauchswert.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurden in Norddeutschland solche Dämmplatten unter dem Namen "Torfoleum" industriell konfektioniert (Dicke ca. 4 cm), die ähnlich einfach gehandhabt werden konnten, wie heutige Styropor-Dämmplatten. Die Wärmedämmwirkung von verdichtetem Torf ist durchaus beachtlich: Der k-Wert rangiert im Bereich von 0,05 W/m K. Gleichzeitig wiesen die Torfoleum-Platten auch eine hohe Schalldämmung auf.

Die heute angebotenen Holzfaserdämmungen folgen letztlich der Torfoleumphilosophie, wobei aber Torf bessere Dämmwerte aufweist. Insbesondere das hochinnovative BAUHAUS Dessau unter Walter Gropius griff in den 1920-er Jahren gerne auf dieses Material zurück.

Nach dem Ersten Weltkrieg bestand ein riesiger Bedarf an Arbeiterwohnsiedlungen. Ziel des BAUHAUSES war es, mit modernen Baustoffen raumeffizient bei deutlich reduziertem Aufwand an Material und Arbeit im Vergleich zu konventionellen Bauweisen deutlich höheren Wohnkomfort zu erreichen. Insofern kann man die Torfoleum-Platte als Mutter aller modernen Dämmplatten bezeichnen.

Wärmedämmung und Schallschutz sind heute aktueller denn je. Forschungsgruppen im Baltikum und in Finnland beschäftigen sich diesbezüglich intensiv mit Torf. Die finnische Firma KONTO bietet Formteile und Platten für thermische und akustische Isolation an. Die Dämmplatten können mit Oberflächenstrukturen zur künstlerischen Gestaltung der Sichtflächen geprägt werden.

Verpackungs- und Lagermaterial

Torfmull stellte sich als ideales Lager- und Transportverpackungsmittel für viele Nahrungsmittel wie Obst, Gemüse, Südfrüchte, aber auch Eier etc. heraus. Optimal war ein Feuchtegrad des Mulls von ca. 35%, um die gelagerten Waren vor Austrocknung zu bewahren bzw. etwaige Stoffwechselprodukte bei Reifungsprozessen zu binden.

Durch die keimhemmenden Eigenschaften des Torfs konnte der Verderb der Waren bzw. die Reifung von Obst erheblich verzögert werden. Dies war insbesondere vor dem Ersten Weltkrieg von Interesse, als Deutschland den Transport der sog. Kolonialwaren aus den Deutschen Kolonien zu organisieren hatte und in gewissen Fällen sogar auf Kühlmittel verzichtet werden konnte.

Textilien und Faserstoffe

Bereits vor mehr als hundert Jahren hat man begonnen, Ried- bzw. Wollgras-Torf mit ihrem Gehalt an stabilen Pflanzenfasern auf eine Eignung als Ausgangsmaterial für Textilien, Garne, Filze, Pappe zu untersuchen und in Produkte umzusetzen. Auf die hervorragenden Eigenschaften von Torffasern hat bereits der Anthroposoph Rudolf Steiner hingewiesen, der den Gebrauch torfbasierter Textilien wärmstens empfohlen hat, u.a. auch als Strahlenschutz. Heute werden Textilien und Garne mit Torfanteil z.B. in Deutschland, der Schweiz und in Skandinavien produziert. Auf dieser Basis entsteht jegliche Art von Kleidung, Bettwäsche, Decken und Wohntextilien.

Verwendung von Fasertorf in der Medizin

Hochsaugfähiger Fasertorf mit seiner keimhemmenden Wirkung wurde anfangs des 20. Jahrhunderts zu Watte und Verbandszeug verarbeitet und vor allem auch im 1. Weltkrieg eingesetzt. Angeblich waren solche Produkte keineswegs nur eine Notlösung, sondern wiesen beim damaligen Stand der Technik eine deutlich höhere Saugfähigkeit und eine inhärente antiseptische Wirkung im Vergleich zu Baumwollprodukten auf.

Filter und Umwelt

Eine wachsende Bevölkerung verursacht seit je her zunehmend Umweltprobleme, die wiederum auf die Bevölkerung zurückfallen.

In der Historie waren es vor allem Hygieneprobleme, die erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts auf wissenschaftlicher Basis angegangen wurden (z.B. Hamburg Choleraepidemie von 1892). Schwerpunkt war die Wasserversorgung bzw. die Abwasserthematik, bzw. die Fäkalentsorgung allgemein. Da die Abwasserinfrastruktur oft nicht ausreichend schnell dem Bedarf angepasst werden konnte, wurden Trockentoiletten als Alternative diskutiert.

Dabei bot sich Torf als exzellentes Medium zur bioaktiven Aufarbeitung der Abfallstoffe an. Schon vor mehr als hundert Jahren wurden sog. Torfstreufilter als Trocken-Versitzgruben eingesetzt, wenn kein weitergehendes Abwasserkanalnetz vorhanden war.

Durch die bakterielle Besiedlung der Torffasern wurde bereits bei 0,5 m Dicke des Faserkörpers eine nahezu vollständige Filter- und Reinigungsleistung von 1 m³ Schmutzwasser pro m² und Tag erreicht. Filteranlagen aus entsprechend präpariertem Torf werden u.a. heute in den USA in Kläranlagen eingesetzt.

Durch die Oberflächenchemie der Torffasern werden auch Schwermetalle, radioaktive Stoffe und flüchtige organische Verbindungen (VOC) sehr effektiv gebunden. Torf und torfbasierte Filter empfehlen sich damit zur Dekontamination bei Umweltverseuchungen (z.B. für Bodensanierung bei TNT-Belastung) aber auch zur Reinhaltung von Wasser und Luft. Die finnische Firma KONTO bietet torfbasierte Filze und Filterkörper zur Beseitigung von problematischen Flüssigkeiten in den unterschiedlichsten Formen an.

In einem weiteren Schritt kann die Faserstruktur des Torfs mit geeigneten Mikroorganismen beladen werden, die die ausgefilterten Kontaminationen abbauen. Sehr erfolgreich wurden solche Torffilter für Bindung und Abbau von Ammoniak in der Abluft von Viehställen eingesetzt.

Auch bei Ölunfällen kann speziell aufbereiteter Torf sehr vorteilhaft zur Aufnahme von Öl eingesetzt werden. Durch forcierte Trocknung verändert sich die Struktur des Torfs: Er wird nun einerseits wasserabstoßend (hydrophob), gleichzeitig wird er aber auch benetzbar für ölige Substanzen. Somit können Ölverunreinigungen in Gewässern gebunden und aus dem Wasser entfernt werden.

Torf für Insektizide

Das Alkaloid Nikotin ist seit langem als hochwirksames Insektizid bekannt. Vor dem Zweiten Weltkrieg existierten Patente, ein Insektenvertilgungsmittel in Pulverform dadurch herzustellen, dass Nikotin/Tabakauszüge zwecks besserer Handhabung in saugfähigem Torf gebunden sowie danach getrocknet und gemahlen werden. Torf mit seiner Huminsäure- Chemie ist hierzu besonders geeignet.

Torf in der Viehmast

Flüssige Zuckermelasse, ein Industrierückstand bei der Zuckerherstellung, lässt man von Moostorfmull aufsaugen. Durch Trocknung und Schrotung erhält man ein gut handhabbares Granulat. Es wurde als Zusatz zu Kraftfutter verwendet. Naturgemäß steuert es weitgehend Kohlenhydrate bei und wirkt als Kalorienbombe mit Verdauungshilfe (Torf).

Torf für moderne Sicherheits-Sprengstoffe

Torf wird selbst in neueren Patenten als Bestandteil von im Bergbau geeigneten Sicherheits- Sprengstoffen genannt. Der Oxidator ist dabei flüssiger Sauerstoff.

Heilerde Moor

In verschiedenen Aufbereitungsformen findet Schwarztorf Anwendungen als Badekurmedium, Kosmetik-Basis, trinkbare Heilerde-Suspension etc. Um das ganze etwas "hochwertiger" erscheinen zu lassen und von Fasertorf-Produkten zu unterscheiden , spricht man dabei aber nicht von Torf, sondern vom "Moor" z.B. als Bademoor oder Trinkmoor.

In flüssiger Form wird Schwarztorf seit geraumer Zeit auch innerlich angewendet, dies sowohl in der Human- als auch in der Veterinärmedizin, ähnlich wie es bei den anorganischen Heilerden (Löss, Bentonit, Zeolith, Aktivkohle) der Fall ist.

Huminsubstanzen als Umwandlungsprodukte von Biomasse nehmen dabei aufgrund ihrer heilwertsteigernden Biokompatibilität mit den Schleimhäuten im Vergleich zu den mineralischen Heilerden eine Sonderstellung ein. Die Einnahme von sog. Moortrunken soll daher insbesondere den Magen-Darm-Trakt "sanieren".

Die extrem große spezifische Oberfläche der Huminkolloide im Torf führt zu einer hohen Sorptionskapazität für die unterschiedlichsten organischen Schadsubstanzen bzw. für eine extrem hohe Ionenaustauscher-Kapazität zur positiven Beeinflussung des zellulären Elektrolythaushalts.

Aktuell baut sich gerade ein Moor- und Torfhype auf und man kann im Internet ein umfangreiches Angebot von Moorprodukten für Heil- und Kosmetikzwecke finden. Die Angebote kommen naturgemäß vor allem aus moorreichen Regionen, z.B. aus Irland über Schottland, Skandinavien bis hin zum Baltikum, aber auch unsere österreichischen Nachbarn sind hier aktiv.

Moorbäder

Anwendungen mit Moorbädern auf der Basis von Schwarztorf sind schon seit der Antike bekannt, z.B. bei Hautkrankheiten, Gicht, Rheuma, Arthrose. Die genaueren Wirkmechanismen sind nur teilweise geklärt. Der wesentliche Effekt dürfte weitgehend physikalischer Natur sein, bedingt durch das Wärme und Temperaturverhalten einer hochviskosen Dispersion auf Wasserbasis, mit hoher Wärmekapazität einerseits und schlechter Wärmekonvektion andererseits. Vermutet werden darüber hinaus biochemische Reaktionen bei direktem Hautkontakt durch Polyphenole, Tannine, Phytohormone, Huminsäuren und Huminstoffe. In einer milderen Form wirken diese Torfkomponenten in diversen Schönheitsprodukten.

Ein reiches Angebot für Wellness und Kuren auf Moorbasis findet sich nicht nur in den klassischen Moorbädern im Alpenraum bzw. den Mittelgebirgen (Bad Alexandersbad) bis hinüber ins Böhmische (z.B. Franzens-Bad mit seinem Mineralmoor, Marienbad), sondern auch im moorreichen Baltikum, insbesondere Estland.