Forstwirtschaft im Moor

In den vergangenen Jahrhunderten beschleunigte sich die Entwicklung der Menschheit sowohl im Hinblick auf die Bevölkerungszahlen als auch die Technisierung der Gesellschaften. Naturbelassene Wälder als nahezu einzige Energiequelle der Gesellschaften in Form der Festbrennstoffe Holz und Holzkohle wurden zunehmend weit über ihre natürliche Reproduktionsfähigkeit hinaus strapaziert. Es fand schlichtweg ein zunehmender Raubbau statt. Insbesondere die massiv intensivierte Schwerindustrie mit Eisen- und Stahlgewinnung erwies sich als die entscheidende Triebkraft.

Um diese Fehlentwicklung wieder etwas einzufangen, wurde zunehmend gezielte Forstwirtschaft betrieben. Es wurden auch neue Flächen durch Kultivierung von sog. Ödland, also insbesondere auch von Mooren, im Hinblick auf die Produktion von Nutzholz hin erschlossen. Moore weisen zwar oft an ihren Rändern einen beachtlichen Baumbewuchs auf. Schwierig wurde es aber, wenn man in die Fläche gehen wollte.

Die Aufforstung von Niedermooren erschien wegen der günstigeren Bodenbeschaffenheit grundsätzlich aussichtsreicher. Aber auch bei Hochmoorflächen hoffte man, z.B. nach erfolgter Abtorfung (Brenntorfabbau), einen weiteren Nutzen aus den Flächen ziehen zu können.

Allerdings führte dieser Ansatz oft zu keinem durchschlagenden Erfolg, denn die Dinge hatten so ihre Tücken: Zwar war der Aufwuchs der Bäume in der Anfangsphase nach dem Setzen oft beachtlich. Aber nach etlichen Jahren erreichten die Bäume bei nicht ausreichender Tiefenentwässerung den Grundwasserhorizont und gingen dann infolge Staunässe ein. Erfolgreicher Forstbetrieb mit hochwertigen Bäumen ist auf Moorflächen alles andere als ein Selbstläufer und hat sich nie so richtig durchgesetzt.

Der ökologische Wert

Allerdings könnte die Forstwirtschaft im Moor heute durchaus wichtige Beiträge in Richtung Umweltschutz liefern: Dies wäre im Hinblick auf den inzwischen unvermeidbar gewordenen Klimawandel zur Stabilisierung des lokalen Kleinklimas und Bodenwasserhaushalts mit extremen Wetterereignissen, wie Trockenphasen einerseits, bzw. Hochwasserereignissen andererseits, nahezu zwingend geboten. Dies erfordert aber die Pflege der Moorrandwälder sowie der über lange Zeit spontan auf vorentwässerten Flächen aufgewachsenen Moorwälder.

Stattdessen werden solche naturgegebenen Chancen zur lokalen und regionalen Moderation zukünftiger Klimaprobleme mit einer kurzsichtigen Wiedervernässerei ohne jegliches Augenmaß und der damit verbundenen Zerstörung weitflächiger Baumbestände verplempert, wie das Beispiel der Kendlmühlfilzen in den Südlichen Chiemseemooren zeigt.

Humus und Torf in der Forstwirtschaft:

Trotz der eher bescheidenen forstlichen Wirtschaftlichkeit waren Moore mit ihrem Torfgehalt dennoch für lange Zeit ein Hoffnungsträger im Hinblick auf die Entlastung der Wälder: Zum einen durch die unmittelbare Nutzung von Torf und Torfkohle/-koks als alternatives Brennmaterial zu Holz und Holzkohle. Zum anderen erhoffte man sich auch anderweitig noch einen wesentlichen Beitrag von Torf zur Regenerationsfähigkeit der Wälder, nämlich durch Schonung ihrer Humusreserven.

Die Notwendigkeit einer ausgeglichenen Humusbilanz der Waldböden für eine nachhaltige Forstwirtschaft war und ist seit langer Zeit bekannt. Die permanent anfallende Baumstreu (Laub, Nadeln, abgestorbene Zweige) liefert den Humusnachschub für einen gesunden und leistungsfähigen Boden im Stoffkreislauf natürlicher Wälder.

Allerdings wurde darauf durch die Landbevölkerung nur wenig Rücksicht genommen und die Baumstreu und der Waldhumus für agrarische Zwecke im Übermaß aus den Wäldern entnommen.

Ein Beispiel hierfür ist der idyllische Nürnberger Reichswald: Der heutige lichte Kiefernbewuchs ist letztlich der traurige Rest eines ursprünglich üppigen Mischwaldes, der durch radikale Entnahme der Baumstreu durch die Bauern in den vergangenen Zeiten in seiner Humusbilanz katastrophal gestört und dadurch zerstört wurde.

Im 19. Jahrhundert ging die Schieflage auch andernorts so weit, dass man Torf als Einstreu für die Viehhaltung empfahl, um damit die Entnahme von Laub- und Nadelstreu aus den Wäldern zu stoppen. Auch wenn dieser Ansatz aus heutiger Öko-Sicht dem Austreiben des Teufels mit dem Beelzebub gleicht, so hatte man damals wenigstens die grundsätzliche Bedeutung eines gesunden Waldbodens im Hinblick auf eine forstliche Nachhaltigkeit erkannt.

Eine moderne Gesellschaft, die letztlich sogar Nahrungsmittel "energetisch verwertet", sollte da auch nicht zu selbstgerecht über die Altvorderen urteilen, die ja von realen Existenz- und Lebenszwängen getrieben waren und nicht von eingebildeten Konsumzwängen wie heute.

Der Missbrauch geht auch heute weiter

Der Wald wird nämlich schon wieder in die Zange genommen: In Art der schwäbischen Hausfrau wird im Wald wieder aufgeräumt und selbst das angeblich minderwertige Waldrestholz bis zum letzten Stäubchen zur Energiegewinnung entnommen. Damit handeln wir dann angeblich ökologisch korrekt, weil damit fossile Brennstoffe ersetzt werden.

Eine High-Tech-Variante dieses ökologischen Kurzschlusses ist das europäisch geförderte Bio- Liq-Verfahren zur Herstellung von Flüssigtreibstoffen aus Biomasse: Kernstück ist dabei, agrarische und forstliche Restbiomasse landesweit flächendeckend in industriellem Maßstab zu sammeln. Die Initiatoren dieser Philosophie werden dann in einigen Jahren von einer angeblich vollkommen unvorhersehbaren Nachhaltigkeitslücke mangels ausreichender Bodenregenerierung "überrascht" werden. Der Reichswald lässt heute schon grüßen.

Aber man kann ja diese Dinge korrigieren, zumindest für den deutschen Boden. Dazu führt man Biomasse in Form von Holz mit erheblichem Transportaufwand aus einem weit weniger ökologisch ausgerichteten Osteuropa ein und sonnt sich im Gefühl der (lokalen) ökopolitischen Korrektheit (sog. Kirchturm-Politik), die man sich mit sog. "Zertifikaten", dem Ablasshandel der Industrienationen, bestätigen lässt. Dem Wald in Osteuropa hilft das aber erwiesenermaßen nicht besonders, weil sich auch für das "zertifikatfreie" Holz genügend anderweitige Abnehmer finden.